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Artikeldetails

Jessica Nowak: Zweifelsfälle und die Sprachgeschichte (MU)
(Zweifelsfälle)

Produktabbildung

Produkttyp: Beitrag (Zeitschrift)

Autor(in): Jessica Nowak

Titel: Zweifelsfälle und die Sprachgeschichte

Publikation in: Muttersprache, 131. Jahrgang, Heft 4

Seiten: 366–382 (17 Seiten)

Erschienen: 15.12.2021

Abstract: siehe unten

URI: https://doi.org/10.53371/60304


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Preis: 4,90 € inkl. MwSt.
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Abstract

Der vorliegende Beitrag zeigt, dass sprachliche Zweifelsfälle vielfach Symptom sprachlichen Wandels sind. Hierzu werden zwei prominente Fallbeispiele herausgegriffen und in ihren sprachgeschichtlichen Kontext eingeordnet: die Schwankungen zwischen starken und schwachen Verben und die präpositionalen Rektionsschwankungen zwischen Genitiv und Dativ. Die Stark/schwach-Variation setzt dabei die diachrone Übergangstendenz starker Verben in die schwache Klasse fort, erfasst jedoch nur wenig frequente Verben (z. B. backen, melken, weben); hochfrequente Verben widersetzen sich diesem Trend bis heute (z. B. geben, helfen, nehmen). Die Genitiv-/Dativvariation bei Präpositionen beruht auf zwei gegenläufigen Entwicklungen: einerseits tendieren ursprüngliche Genitivpräpositionen zur Dativrektion (z. B. wegen des > wegen dem), andererseits ehemalige Dativpräpositionen zur Genitivrektion (z. B. dank dem > dank des). Neben sprachinternen Faktoren spielen hier vor allem sprachexterne eine Rolle: Die seit dem 18. Jahrhundert anhaltende Stigmatisierung des Dativs bremst die Entwicklung vom Genitiv zum Dativ aus, befördert im Gegenzug aber den zunehmenden Genitivgebrauch bei ehemaligen Dativpräpositionen.

The present contribution shows that linguistic doubtful cases often emerge from language change. Two prominent cases are discussed in the context of language history: the variation between strong and weak verbs and the variation in prepositional case government between the genitive and the dative. The strong/weak-variation results from the diachronic trend of strong verbs to become weak. However, only low-frequency verbs undergo this class shift (e. g., backen, melken, weben), whereas high-frequency ones have successfully resisted this change until today (e. g., geben, helfen, nehmen). The genitive/dative-variation in prepositional case government bears on two divergent developments: on the one hand, prepositions originally governing the genitive exhibit dative government (e. g., wegen des > wegen dem), on the other hand, prepositions originally governing the dative often govern the genitive (e. g., dank dem > dank des). Here, language external factors play a key role besides language internal ones: Due to the stigmatisation of the dative from the 18th century onwards, the change from dative to genitive government has been thwarted, whereas the shift from genitive to dative government has been sustainably promoted.